Beitragsbild Display Kaputt

Datenrettung: Display kaputt, Telefon gesperrt. Was nun?

Die größte Schwäche moderner Smartphones ist in der Regel die Sollbruchstelle mit dem Namen „Display“. Bei häufiger Verwendung kann einem das Handy schon das ein oder andere mal runterfallen. Kommt es dabei unglücklich auf, wird sogleich die berüchtigte Spinnenweben-App installiert. Es sieht zwar nicht schön aus, der Berührungssensor funktioniert nicht mehr so zuverlässig und bei häufigem Gebrauch werden die Fingerkuppen abgeschabt bis die eigenen Fingerabdrücke kein Profil mehr haben, aber das Telefon kann trotzdem ganz normal weiterverwendet werden.

In seltenen Fällen wird der Schock von der Glasscheibe aber direkt an den Bildschirm weitergegeben und anstelle der Schutzscheibe bricht das LCD. Ein nicht funktionierender Berührungssensor oder schwarzer Bildschirm können die Folge sein. Hat man den Sperrbildschirm mit einem Pin oder Muster geschützt, wird am PC nur ein Multimediagerät erkannt und es gibt keinen Zugriff auf den internen Speicher. Ohne USB-Debugging ist man in dieser Situation ziemlich aufgeschmissen. Aber mit etwas Glück ist da noch etwas zu machen.

Die Situation

Ein Bekannter erzählte mir davon, dass sein Samsung Galaxy S5 versehentlich gegen eine Wand geflogen sei und er nach einer Möglichkeit suche, die Daten davon zu retten. Folgender Sachverhalt lag vor:

  • Konfiguration:
    • SIM- und Speicherkarte bereits entnommen
    • Keine Synchronisierung mit Google-Account
    • Die wichtigsten Dateien sind nur im internen Speicher
    • Gerät durch PIN gesperrt, die aber bekannt ist
    • Unmodifiziertes Android 6 Betriebssystem?
    • Kein Root, kein USB-Debug
  •  Funktioniert nicht:
    • Display bleibt schwarz
    • keine Vibration bei Berührung
  • Funktioniert:
    • Handy bootet
    • Lauter-, Leiser-, und Power-Buttons
    • Home reagiert, Menütasten leuchten und reagieren
    • Reaktion bei Anschluss an PC
    • Reaktion bei Anschluss externer Eingabegeräte

Für ca. 170,- habe man ihm in einem Fachgeschäft eine Datenwiederherstellung angeboten. Ein Preis, für den man sich auch genau so gut das LCD austauschen lassen könnte (inklusive Materialkosten). Meine Reaktion:

Gib‘ mal her, ich mach‘ das mal kurz!

Aus „mal kurz“ wurden 3 Stunden, aber es hat letzten Endes geklappt.

Die Möglichkeiten

Auf dem Weg nach Hause habe ich mögliche Lösungsansätze überlegt und recherchiert:

MöglichkeitSchwierigkeitsgradZeitaufwandKosten
Samsung Kies
leichtgeringkostenlos
Drittanbieter Recoverysoftwareleichtgeringmögliche Kosten
Bildschirmübertragung per Softwareleichtgeringmögliche Kosten
MHL-Adapter für HDMI-Monitor und USB-Geräteleicht, Display- und Inputersatzgroß, da passender Adapter erst gefunden und getestet werden muss10-20 €
Displaytauschschwergroß, Ersatz-LCD kaufen und tauschen120€+ nur für Materialkosten
ADB-Konsoleschwer, USB-Debug muss aktiv seinmittelkostenlos
Mit Odin Recoverymod flashenmittel, passendes Image findenmittel, blind in den Downloadmodus kommenkostenlos
Blind mit USB-Tastatur durch Menü navigierenschwer, Navigation unberechenbargroß, Trial&Error, Zeitverschwendungkostenlos

Displaytausch und mit Tastatur und Maus herumprobieren kamen für mich aufgrund der Kosten und des geschätzten Zeitaufwands nicht in Frage. Mein erster Anlaufpunkt war daher Samsung Kies. Da mein PC aber für das Handy noch unbekannt war, wartete auf dem Display vermutlich eine Bestätigungs- oder Entsperrungsaufforderung, die eine erfolgreiche Verbindung verhinderte.  Die getestete Wiederherstellungssoftware benötigte entweder USB-Debugging oder war kostenpflichtig (40€+). Da die Situation eine einmalige Sache war und es sich nicht um mein Handy gehandelt hat, war es mir das nicht wert.

Ein MHL-Adapter wäre die nächste Idee gewesen und mir fiel dieses Exemplar ins Auge. Allerdings wollte ich nicht auf die Lieferung warten müssen, um dann am Ende vielleicht feststellen zu müssen, dass der Adapter inkompatibel mit dem Handy ist.

Also blieb am Ende nur noch ADB. Das setzt allerdings voraus, dass der USB-Debug-Modus aktiv ist. Dieser ist beispielsweise aktiv, wenn ClockworkMod oder TWRP gestartet wird. Also musste zunächst eine solche Mod installiert werden.

Die Lösung

Am Ende hat es bei mir mit Odin + ClockworkMod Recovery + ADB funktioniert. Hier eine Anleitung:

  1. Gerät in den Download-Modus versetzen, damit Odin flashen kann:
    • Akku raus
    • Power+Leiser+Home gedrückt halten
    • Akku rein
    • Nachdem das Gerät vibriert, den Power-Button loslassen
    • Nach 2-3 Sekunden Leiser und Home loslassen
    • Lauter drücken, um den Download-Modus zu bestätigen
    • Wenn das blaue Lämpchen leuchtet, befindet sich das Handy bereits im normalen Bootvorgang und es ist etwas schiefgelaufen, wieder zurück zu Punkt 1.
  2. Odin starten
  3. Gerät per USB mit dem PC verbinden
  4. In Odin müsste nun das Gerät erkennen und als COM:X anzeigen
  5. Clockworkmod als Image auswählen
  6. Flashvorgang Starten
  7. Wenn alles geklappt hat, startet das Gerät neu und bootet normal
Odin-Screenshot
Odin nach Flashvorgang

Jetzt geht es darum, sich mit dem Gerät zu verbinden, während der Debug-Modus aktiv ist.

Terminalausgabe in adb
Beispiele für Aufrufe in ADB
  1. Recovery-Modus starten:
    1. Akku raus
    2. Power+Lauter+Home   gedrückt halten
    3. Akku rein
    4. Nachdem das Gerät vibriert, den Power-Button loslassen
    5. Nach 5-10 Sekunden Lauter und Home loslassen
    6. Wenn das blaue Lämpchen leuchtet, befindet sich das Handy bereits im normalen Bootvorgang und es ist etwas schiefgelaufen, wieder zurück zu Punkt 1.
  2. ADB starten
  3. Gerät mit PC verbinden
  4. Rest über das Terminal erledigen
# Service starten und Geräte auflisten
adb devices

# In Gerät einloggen
adb shell

# Verzeichnisse auflisten
ls

# Von dort aus zum internen Speicher navigieren
# zum Beispiel cd /data/media/

# Vollen Pfad ausgeben
pwd

# Shell verlassen (Strg+D)

# Daten anschließend auf PC kopieren
adb pull /data/media ZielVerzeichnisAufPC

Benötigt man auch die Kontaktdaten, findet man diese in einer SQlite-Datenbankdatei mit der Bezeichnung contacts2.db im data-Ordner:

  • adb pull /data/data/com.android.providers.contacts/databases ZielVerzeichnisAufPC
  • adb pull /data/data/com.android.providers.telephony/databases ZielVerzeichnisAufPC

Fazit

Die benötigten 3 Stunden waren als Zeitaufwand ok. Und mit etwas Übung ist die Angelegenheit auch in 10-15 Minuten schaffbar. Für soetwas 170,-€ vom Kunden zu verlangen ist, zumindest bei diesem Modell und Sachverhalt, unseriös. In dieser Preisklasse sollte man schon einen Displayaustausch erwarten können. Anstrengend war es trotzdem und ich empfehle, die wichtigsten Daten extern auf einer SD-Karte zu speichern oder mit Cloud-Diensten zu synchronisieren. Wäre der interne Speicher verschlüsselt gewesen, wäre ich ohne MHL-Adapter oder Displaytausch nicht weitergekommen.


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Bildquellen:
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2 Gedanken zu „Datenrettung: Display kaputt, Telefon gesperrt. Was nun?“

  1. Ich wollte die Reparaturverglasung an meinem Telefon ebenfalls selbst vornehmen. Allerdings ging etwas schief, ich hatte keine Leiterpaste und so ist zwar ein neues Display vorhanden, aber es reagiert nicht mehr auf Kontakt. Daher danke für dein Tutorial.

  2. Hallo super hilfreicher bzgl. einer Datenrettung nach einem Displaybruch. Mir ist mein Handy bisher oft runtergefallen und es ist bisher nie etwas geschehen, doch kürzlich ist es anscheinend so auf den Boden aufgekommen, dass es für einen Bruch gesorgt hat bei dem man nichts mehr sieht. Wie bei Ihnen erwähnt, funktioniert auch der Bewegungs- und Touchsensor nicht mehr richtig. Ich suche daher einen Profi für die Handy Reparatur, da ich Angst habe, wenn ich selber daran tüftele, es unrettbar mache.

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